Das Einhorn und das Niemalsstill

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Eine Einhorn-Kurzgeschichte: Das Einhorn und das Niemalsstill

Die zweite Kurzgeschichte aus dem Leben meines Einhorns. Wieder wunderbar illustriert von @susealiaspaul. Die erste Geschichte findet ihr hier. Weiter geht’s nach dem Klick.

Als das Einhorn eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand es sich in seinem Kopf ein kleines Niemalsstill beherbergend. Nun wusste das Einhorn nicht was ein Niemalsstill ist, geschweige denn wie es in seinen Kopf kam und suchte Trotula auf. Trotula war nicht nur die Schlaueste, sondern auch die Dickste der kleinen adipösen Elfen was beim Einhorn die Vermutung wachsen ließ, dass Körperumfang und Intelligenz in einem exponentiellen Zusammenhang stehen müssten.

So galoppierte es also ganz aufgeregt zu Trotula, sie müsse ja wissen was das in seinem Kopf sei.
„Guten Morgen Einhorn“, rief Trotula ihm schon von weiten zu. „Hast Du gut geschlafen?“
„Nein Nein, ich hatte ganz wirre Träume, wälzte mich wild umher. Und in meinem Kopf war ein Brausen und ein Tosen, als würden Wellen an Klippen zerbrechen. Und noch schlimmer Trotula, es geht gar nicht weg. Es ist jetzt auch noch da. Rasendes Rauschen, Schrabamm, Schrabamm.“
„Du meinst, Du hast Kopfschmerzen?“
„Nein Nein, das ist anders. Es ist eher wie ein Klang. Schrabamm.“
„Schrabamm? Ohje liebes Einhorn, da weiß ich auch nichts zu tun. Wie kann man einen Klang entfernen? Vielleicht könnte man ihn auslöschen? Eine Phasendrehung könnte…“

Da kam dem Einhorn eine Idee. Es müsste den Klang gar nicht entfernen, es müsste nur etwas finden was viel lauter als dieses Niemalsstill ist. „Die Rollerdisco“, dachte das Einhorn, schnappte sich seine zwei Paar pinken Rollschuhe und brauste zum alten Bau, wo Elfen und Tiere der rhythmischen Kreisfahrt frönten. All das Adrenalin und die Geschwindigkeit, die glitzernde Vorfreude und die Lust ließen das Einhorn das Niemalsstill schnell vergessen und schon bald fand es sich mondgehend auf der Tanzfläche wieder. Wie wild tanzte es umher und genoss die Musik, die Elfen und die Tiere.

Als es dann müde wurde rollte es langsam zur Bar und sah in die Menge. „So viele Elfen, so viele Tiere“, dachte es und fühlte sich doch einsam bis ein plötzliches Schrabamm die Musik übertönte. „Pfui Deifel“, spuckte das Einhorn, „Da ist es ja schon wieder. Ist es denn niemals still? Dieses… dieses Niemalsstill?! Ja genau, so muss das Ding da heißen.“

Seine kurze Traurigkeit vergessend wurde es ganz zappelig. Das konnte es nicht sein, da muss noch etwas anderes, etwas lauteres sein, damit das Niemalsstill endlich Ruhe gäbe. Also galoppierte das Einhorn zum Flughafen und stellte sich dort an den Zaun, wo es oft den Flugzeugen beim Aufsteigen zusah und um den ganzen Wind zu spüren den sie machten. Heute war es aber vor allem da um den Lärm zu hören. 120 Dezibel, vielleicht gar 130, das sollte reichen.

Doch, als das Einhorn da so stand wurde es ganz wehmütig und sehnsüchtig. Dachte an ferne Städte und Länder und an Liebgewonnenes, das es lange nicht mehr zu Gesicht bekam. Schrabamm. Da war es wieder, dieses Niemalsstill.

Da fasste das Einhorn einen schweren Entschluss. Raus müsse es aus Xanadu, einfach weg. Nicht wegen des Fernwehs, sondern um sich der lautesten Sache auszusetzen die es kannte. Also trabte es über die Brücke zu den Menschen. Trabte durch Straßen und Städte zu den Schulen und Einkaufszentren wo sich die Massen um die Masse balgten. Kaum auszuhalten war der Lärm, die Lautstärke. Was mag das sein? 140, 150 Dezibel? Das Einhorn verzog sein Gesicht. Schrabamm. Nein, das war es auch nicht. Selbst das Lauteste was es kannte konnte nicht helfen. Nicht einmal die ohrenbetäubende Dummheit der Menschen konnte sein Niemalsstill zum Schweigen bringen. Vielmehr noch, es schien als sei sein Niemalsstill mit jedem Versuch noch lauter geworden.

Traurig sackte das Einhorn in sich zusammen.

„Hey!“, hörte das Einhorn plötzlich von der Seite, „bist Du ein Einhorn?“

„Wie kannst Du?“, wunderte Einhorn sich, das doch für die meisten Menschen unsichtbar war.

„Also doch, ich wusste es! Ich habe es gleich gewusst“, sagte das Mädchen und blinzelte lächelnd mit ihren Äuglein. Das Einhorn wunderte sich und blinzelte schüchtern zurück und merkte gar nicht, dass es plötzlich still war.



    Ein Kommentar:

  • susealiaspaul schreibt am 1. Dezember 2010 um 23:18

    in wirklichkeit ist der turm gar nicht so schief und die gelben dings sind nicht so gelb. ich hab beweise!

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