Sick Sad World: Realsatire des Verfassungsschutzes

-

Sick Sad World

Der Verfassungsschutz hatte es noch nie leicht. So stellte die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg z.B. fest, dass von 2005-2009 die publizierten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern zum größten Teil rechtswidrig waren. Auch ist die braune Vergangenheit der Behörden noch weitestgehend ungeklärt. Ähnlich wie beim Bundesnachrichtendienst schien in den Anfangstagen der Verfassungsschutz ehemalige SS- und Wehrmachtskameraden mit offenen Armen zu empfangen. Verfassungsschutzpräsidenten wie Schrübbers oder Nollau hatten NS-Bezüge. Ersterer verlor deswegen nach 17 Jahren sein Amt. Hubert Schrübbers war als (Ober-)Staatsanwalt verantwortlich für rassische und politische Verfolgung im NS-Regime.

Die ungeklärte Vergangenheit trägt natürlich zum Klischee bei, dass der Verfassungsschutz sich auf dem rechten Auge gerne blind gibt. Geschichten wie die um Peter Urbach, die Beobachtung 27 Abgeordneter der Linken und mögliche Verstrickungen beim Oktoberfestattentat nähren diese Vermutungen.

Ein gutes Bild gibt die Behörde auch nicht im Zusammenhang mit der NSU. Vernichtung von Akten, Anwesenheit eines Beamten des hessischen Verfassungschutzes beim NSU-Mord in Kassel, die Liste lässt sich fortsetzen. Ein einziges Armutszeugnis.

Statt Reue und Schuldeingeständnissen werden die Untersuchungen der Vorgänge zur Farce. Die besten Aussagen mehrerer ehemaliger Verfassungsschutz-Mitarbeiter vor dem Untersuchungsausschuss zur NSU im Thüringer Landtag hat Haskala zusammengetragen. Besonders der ehemalige Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, wirkt wie eine Überzeichnung eines Dilettanten:

“Einmal kam ich in Roewers Dienstzimmer, da standen drei Tische aneinander, mit Kerzen, Käse, Wein und 6-7 Damen drumherum, man wusste gar nicht, mit welcher er zuerst zu Gange ist. Ich sollte ihm in deren Anwesenheit geheime Dinge erzählen.”

So Abteilungsleiter Rechtsextremismus Schrader vor dem Ausschuss. Roewer selbst leidet derweil unter Gedächtnislücken. Wer ihn damals überhaupt zum Präsidenten ernannte kriegt er nicht zusammen:

“Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte mir eine unbekannte Person eine Ernennungsurkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.”

Aber auch niemand anderes will sich erinnern, wer für den Pickelhaubenträger verantwortlich gewesen sein mag. Der ehemalige Staatssekretär Lippert will es nicht gewesen sein. Auch Franz Schuster (CDU), der damalige Innenminister von Thüringen, will damit nichts zu tun haben. Vielleicht wollte man aber auch nur neue Skinheads anwerben und machte einen Fehler. So gibt Wießner, V-Mann Führer, zu Protokoll:

“Skinheads anzuwerben war eine absolute Katastrophe, die besaufen sich und können sich dann an nichts mehr erinnern.”

Tja, offensichtlich nicht nur Skinheads. Die Geschichte könnte eine grandiose Komödie im Stile von Schtonk! werden. Unbedingt die Buchrechte sichern. Und dann Didi Hallervorden als Roewer besetzen. Traurige kranke Welt!



    3 Kommentare:

  • Emanon schreibt am 11. Juli 2012 um 14:17

    Danke, dass du das auch bringst, Daniel!

    Nach Allem, was hier in letzter Zeit passiert (und die Liste hat bald eine beachtliche Länge angenommen), finde ich diese Online – Petition schon auch unterstützenswert:

    http://openpetition.de/petition/online/politiker-sollten-regelmaessig-eine-backpfeife-erhalten

  • Erich Zimmermann via Facebook schreibt am 11. Juli 2012 um 14:53

    Ganz einfach: kotzender Verfassungsschutz

  • Pantoufle schreibt am 12. Juli 2012 um 09:31

    Moin Daniel

    Ein entzückendes Detail zu diesem Thema besteht in einem Gesetzentwurf, demzufolge gemeinnützige Vereine und Initiativen ihre Steuerfreiheit verlieren, sobald sie vom “Verfassungsschutz” observiert werden; das im Übrigen auch rückwirkend.
    Der Entwurf schlummert im Moment still im Giftschrank von Schwarz-Geld, ist aber nicht vom Tisch. Wahrscheinlich wartet man nur auf ein spektakuläres Sportereignis, um in den gebotenen 45 Sekunden das Ding als Gesetz zu verabschieden.
    Ein neues Juwel in der Krone der marktkonformen Demokratie.
    Die Unterschriftenliste gegen die Änderung des Paragraphen § 51 Abs. 3 hat bereits eine beachtliche Länge und Prominenz.

    … bis die Leute merken, was man mit Mistgabeln und Dreschflegeln noch nettes anstellen kann…

    MfG
    Pantoufle

    http://jg-stadtmitte.de/2012/06/27/verfassungsschutz-und-gemeinnuetzigkeit-zivilgesellschaftlicher-organisationen/

Dein Kommentar:

Kommentarfeed zu diesem Artikel via RSS abonnieren.



Hinweis: Kommentare werden moderiert. Sie können auch ohne Angaben von Gründen gelöscht werden. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht!