Das Ende von Occupy? – Wie die Bewegung verpufft

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Oktober 2011 - Occupy Demonstranten in Berlin

Wir waren die 99%, eine Zahl die für Deutschland eh nie stimmte. Viele ließen sich mitziehen von der Occupy Bewegung. Zu Recht. Wut auf das kapitalistische System mit spekulativen Märkten und unersättlichen Managern ist während der Finanzkrise, der Euro-Krise und der Krisen-Krise defintiv berechtigt.

Nur was ist übrig geblieben von Occupy? Von der Begeisterung, die Tausende im letzten Oktober auf die Straßen lockte. Das unhomogene Ziel war Vor- und Nachteil zugleich. Auf der einen Seite konnten sich viele darauf einigen (Anti-Kapitalismus, Bankenkritik), weil Detailfragen aus blieben. Auf der anderen Seite mag genau das der Grund sein, warum die Bewegung in Deutschland langsam einschläft.

Und so kriegt man es auch kaum noch mit, dass die letzten Camps der Bewegung in der letzten Woche geräumt wurden. Am 1. August räumte die Polizei das Camp in Düsseldorf. Und am Montag war dann auch Schluss in Frankfurt.

Selbst ein vermeintlich fre(s)ches Magazin wie die VICE titelt, dass die 99% falsch lagen und schreibt:

“Die Occupy-Bewegung wollte sich dem nun entgegenstellen, vergaß während der ganzen Diskussionen und den Asamblea-Gruppentherapien jedoch, wirklich eine Alternative zum Bestehenden zu liefern. Stattdessen herrschte eher eine diffuse Ablehnung gegen das System ohne einen konkreten Gegenentwurf.”

Und vielleicht ist es nicht falsch, wenn Vergleiche zu anderen Ländern gezogen werden. Deutschland ist nicht Grichenland, nicht Spanien und auch nicht Amerika. Dass das ganze nur der romantische Traum von Arbeitslosen gewesen sein mag, erscheint mir dann doch extrem spießig. Insbesondere wenn der Autor Felix Nicklas sich dann ausgerechnet noch auf Joachim Gauck beruft. Aber worauf kann man sich sonst berufen? Tocotronic? Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit?! Das wäre wirklich romantisch.

Nein, eine Umwälzung setzt Unzufriedenheit voraus und nicht das Gefühl, dass es besser ginge. Es sind einfach (noch) zu wenige unzufrieden. Und, da hat die Vice auch Recht, eine Umwälzung setzt ebenfalls Ziele voraus. Nur dürfen diese nicht diffus sein. Occupy ist es, ich sah genau darin einen Vorteil. Erst die Awareness bei der Masse schaffen und dann gemeinsam was erreichen, konkreter werden. Das hat niemand geschafft. Und bald gibt es beschissene Lieder über den Summer Of 2011. Vielleicht sollte man sich statt auf Tocotronic lieber auf Mutter berufen: “Wir waren niemals hier!”

Vorher zur Occupy-Bewegung auf dem Einhorn

Occupy Bundestag – Wie in Berlin Demonstranten versuchten das Reichstagsgebäude zu stürmen
Kuchen für alle – Warum ich demonstrieren ging
Liebe ist für alle da – Wie und warum Julia bei Occupy München festgenommen wurde
Die Revolution beginnt in uns selbst – Ein Bericht eines Besetzers im Düsseldorfer Camp



    5 Kommentare:

  • Anna Koala via Facebook schreibt am 8. August 2012 um 10:54

    Ich glaub schon.

  • mario schreibt am 8. August 2012 um 13:06

    ach komm, wenn nicht gleich die weltrevolution ausbricht wird geunkt. die bewegung hat doch im großem stil gezeigt, dass das volk nicht stillschweigt, und wenn noch mehr passiert, dann droht größeres ungemach. das ist doch enorm. aber nur, weil es nicht irgendwie spektakulär oder offiziell endet, ist dann schnell das milde lächeln auf dem gesicht des kulturpessimistischen bloggers.

  • Daniel Decker
    Daniel schreibt am 8. August 2012 um 13:16

    Hi Mario,
    ist ja als Frage formuliert und als Vermutung. Aber ja, pessimistisch isses durchaus, aber doch auch zu Recht! Und um Himmels Willen eine “Weltrevolution” soll es doch gar nicht sein. Aber Du hast Recht, die Bewegung hat im großen Stil gezeigt, dass eine Mobilisierung möglich ist.

  • Michael Sonntag schreibt am 8. August 2012 um 17:39

    Es ist natürlich gut wenn sich Leute kritisch mit politischen Fragen beschäftigen. Das Problem von Occupy war aber eben, dass dort so viele (und teilweise unvereinbare bzw. unreflektierte) Positionen zusammen kamen.

    Sehr viele Leute dort waren doch nicht die Spur antikapitalistisch eingestellt, sondern wollten den “Bankstern” oder den “gierigen Managern/Politikern” (die sie als Hauptschuldige für alles ausgemacht haben) nur ein paar Grenzen setzen und nen sicheren Job für sich selbst und andere. Ist natürlich legitim, hat aber mit einer wirklichen Systemkritik am Kapitalismus und einer Analyse der Gründe der aktuellen Krise nix zu tun, sondern basiert vielfach auf einem irgendwie als links definierten Bauchgefühl. Andere waren in ihrer Kritik wesentlich durchdachter, dazu kamen dann aber noch verschiedenste und teils fragwürdige Gruppen (von Infokriegern mit Bilderberg-Obsession über Zinskritiker bis zu eigentlich unpolitisch Leuten, die gegen “die da oben” sind).

    Der Vorwurf in der VICE (der so auch von der CSU kommen könnte), dass es keinen durchdachten Gegenentwurf gab, ist natürlich völlig absurd aber ein paar programmatische Übereinstimmungen außer der, den Ist-Zustand irgendwie ungerecht zu finden, sind einfach notwendig. Das mag in den USA anders sein, wo die einfache Artikulation von Unzufriedenheit mit dem Wirtschaftssystem angesichts der dortigen Gesellschaftsprägung eben ein wesentlich radikaleres Statement ist als hier aber auch dort muss mittelfristig programmatisch etwas passieren.

  • ernte23 schreibt am 9. August 2012 um 14:34

    Sehe es im großen und ganzen ähnlich wie Michael. Der Kommentar von VICE hätte auch in einer beliebigen konservativen Zeitung stehen können. Nebenbei: Was ist das überhaupt für’n seltsames Magazin?

    Müsste man nicht zunächst den „prokapitalistischen” Unzufriedenen die richtigen Fragen stellen? Das wäre immerhin besser, als ihnen mit einer linken Theoriekeule zu kommen.

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