Ich habe recht wenig über die Abmahnungen in der deutschen Blogosphäre hier berichtet. Bisher beobachtete ich da lediglich und trug auch einiges an Fakten zusammen. Teil einer Hysterie wollte ich nicht werden. Doch mit der Zeit verdeutlicht sich ein Bild: Das seltsame Vorgehen der abmahnenden Agentur hgm-press Michel OHG.
Die Agentur nutzt rein rechtlich die Grenzen des legalen Bereichs für sich aus. Da kann ihnen niemand einen Vorwurf draus machen. Doch haben viele die Vermutung, dass hier dennoch etwas faul ist. Dieser Post geht darauf ein warum das der Fall ist. Nun bemühe ich mich Spekulationen in diesem Post sein zu lassen, dass das nicht geht liegt aber vor allem an der Salamitaktik der Agentur. Denen würde ich empfehlen eine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen auf ihrer Seite zu veröffentlichen.
Kauft die hgm-press Michel OHG beabsichtigt Bilder die viral gingen um diese abzumahnen?
Vorneweg, was wir aus der Frage streichen können ist die Absicht. Darüber kann jeder nur spekulieren. Und selbst wenn, wer würde das schon zugeben? Doch im Falle des aktuell abgemahnten Bildes des Schlangenkuchens scheint mehr als klar, dass der Rechtekauf stattfand, nachdem diverse Blogs das Bild berühmt machten. Genauer:
- Am 29. Juli werden die Bilder von der Urheberin veröffentlicht.
- Am 8. August verbreiten diverse Blogger das Bild. Darunter Nerdcore und Kraftfuttermischwerk die in Deutschland zu den größen Blogs gehören.
- “Am 17. August erhält unter anderem SPIEGEL ONLINE von der HGM Press das Angebot, Nutzungsrechte für die Schlangenbilder zu kaufen.”
Vielmehr kann man also schelmisch fragen ob die hgm nicht von den Bloggern im Endeffekt profitiert?! Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass klassische Geschäftsfelder wie Rechteverwerter heutzutage immer mehr hinterhinken werden. Hier gilt es eine Lösung zu finden.
Hat die hgm-press Michel OHG einen Buy-Out getätigt?
Mit einem Buy-Out räumt der Urheber ein uneingeschränktes und ausschließliches Nutzungs-/Verwertungsrecht an dem Werk für einen Rechteverweter, z.B. eine Agentur, ein. Das heißt der Urheber selbst ist von der Verwertung abgeschnitten. Rechtsanwalt Jacob Metzler fragte bei der Kanzlei activeLaw, die hgm-press Michel OHG vertritt, nach ob dies der Fall wäre. Die Antwort überraschte nicht nur ihn:
“Zur Vorlage von Nachweisen einer Aktivlegitimation aufgefordert, antwortet die Kanzlei activeLAW wie folgt: ‘…werden den Nachweis der Rechtekette gemeinsam mit unserer Mandatin überprüfen und sie dann darüber in Kenntnis setzen…’. Überprüft man seine Berechtigung zur Abmahnung nicht vorher?”
Bei den aktuellen Abmahnungen ist es scheinbar klar, dass die Urheberin alle Rechte der hgm übertragen hat.
Aber wie war das denn mit dem Lego-Künstler Nathan Sawaya, da hatten sie doch scheinbar keine Rechte, oder?
Genau. Sawaya verurteilte die Agentur und schrieb selbst auf seiner Webseite:
“To be clear, I am not represented by any agencies in Germany.”
Ein Irrtum einer niederländischen Agentur die die zeitlich begrenzten Rechte an hgm-press weiterverkaufte. Schnell wurden die Abmahnungen daraufhin zurückgezogen. Gegenüber dem Spiegel sagte hgm-press: “Man habe sich bei den Betroffen für die eingetretenen Umstände entschuldigt.” Das ist nachweislich nicht der Fall. Keiner der mir bekannten Betroffenen (was mittlerweile nicht wenige sind) bekam eine Entschuldigung. Und einige wollen die ihnen entstandenen Kosten weiterhin einfordern.
Wieso ist die Rede von einem Abmahngeschäft?!
Wir reden hier nachweislich von lediglich wenigen (uns) bekannten Abmahnungen. So ca. 20, die Dunkelziffer dürfte vermutlich weitaus höher sein. Vor allem wenn man bedenkt dass der Geschäftsführer der hgm-press selbst nicht weiß wie viele Abmahnungen im Namen seiner Firma versendet wurden (s.u.).
ALLEINE mit diesen 20 wurde versucht eine Summe von über 65.000 Euro inklusive Anwaltskosten einzuklagen. Da sind allerdings die zurückgezogenen LEGO-Abmahnungen mit eingerechnet.
Das ganze fand in einem relativ kurzem Zeitraum statt. Zur Verdeutlichung, das Durchschnittseinkommen eines Haushalts in Deutschland liegt bei ca. 32.000 Euro im Jahr. Hier geht es um in kurzer Zeit erwirtschaftete Summen die mal locker 1,5 Haushalte gut ernähren könnten. Laut Eigenaussage berechnet die Agentur “im Minimum das bis zu Fünffache des Agenturpreises”. Wohlgemerkt: “im Minimum”. Da würde sich jeder Vermieter freuen, wenn er das mit einem nicht zahlenden Mieter machen könnte.
Das könnte sich rentieren. Zumindest mehr als 25 Euro pro Bild bei Spiegel Online zu bekommen. Gegenüber des Spiegels inszeniert sich Agenturchef Hans-Gerd Michel ahnungslos:
“Wie viele Abmahnungen die HGM Press verschickt hat, kann Michel nach eigenen Angaben nicht sagen.”
WTF?! Ein Geschäftsführer der zugibt dass er nicht weiß was in seiner Firma bzw. im Namen seiner Firma passiert? Oder zeigt sich Michel aus gutem Grund nicht transparent? Auch hier bleibt es bei Spekulationen. Die Agentur selbst tut auf jeden Fall nichts dagegen den Verdacht des zusätzlichen Geschäftszweiges zu entkräften. So könnte die Agentur nachweisen, dass die Abmahnungen prozentual nur einen geringen Teil des Gesamtumsatzes ausmachen. Die HGM hüllt sich allerdings in Schweigen. Grund für Unterstellungen gibt dies allerdings noch lange nicht.
Aber genau hier liegt auch das Problem bei den berichtenden Mainstreammedien. Es geht nicht darum ob die deutschen Blogger zu unrecht gehandelt haben. Es geht vielmehr um die Möglichkeit eines Abmahngeschäfts an sich. Dies wird in nahezu allen Berichten ausgeblendet. Stattdessen werden die Urheberrechtsverletzer als trotzige Kids dargestellt, die auch schnell über das Ziel hinausschießen und gar mit Mord drohen.
Und wieso das ganze Geschrei?!
Es ist eine einzige Agentur die zusammen mit ihrer Kanzlei die halbe Blogwelt seit Monaten in Atem hält. Die eigenen Verfehlungen werden als Lapalien abgehandelt. Die eigene Ahnungslosigkeit über die Menge der abgemahnten Publikationen offen verbreitet. Da möchte ich nur meinen Kopf an die Wand schmettern.
Einige Blogs schlossen, andere BloggerInnen haben Angst beim täglichen Gang zum Briefkasten. Nun kannst Du zu Recht sagen: “Wer keine Rechte verletzte kann doch sicher sein?!”
Nur leben wir in einer Zeit wo Teilen ein wichtiger Teil unserer Kultur wurde. Seiten wie Facebook, Pinterest, Tumblr oder Twitter stellen das Teilen in den Mittelpunkt ihres Geschäftsmodells. Die traditionellen Medien und die Gesetzgebung hinken hinterher. Und irgendwann wird uns das alles so lächerlich vorkommen wie die Tatsache, dass die GEMA Tonbandgeräte in den 50ern verbieten wollte.
Es geht nicht darum Urheber zu ficken. Es geht darum, dass die aktuellen Gesetze nicht zeitgemäß sind und anderen eine Möglichkeit der Bereicherung bieten. Und das sogar mit gutem Recht – juristisch gesehen.
Aktuelle Links zum Thema:
– Bilder, Blogger und eine Morddrohung auf SpOn
– Neues von der hgm-press OHG: und jetzt geht es um eine Morddrohung auf dem Kraftfuttermischwerk
– Update: Snake Cake Abmahnungen durch hgm-press Michel OHG bei Nerdcore
– Es geht weiter mit den Abmahnungen bei We like that
– Abmahnungen aus Sicht eines Anwalts: Die Mär vom “nur mal anrufen”
12 Kommentare:
Vielen Dank für diese Zusammenfassung!
Was du schreibst, scheint ja sehr schlüssig, aber ein Satz bringt mich zum Stolpern:
“Nur leben wir in einer Zeit wo Teilen ein wichtiger Teil unserer Kultur wurde. Seiten wie Facebook, Pinterest, Tumblr oder Twitter stellen das Teilen in den Mittelpunkt ihres Geschäftsmodells. ”
Teilen scheint mir für die angesprochenen Fälle ein Euphemismus zu sein für “Copy&Paste”. Nun mag “Copy&Paste” ein Teil unserer Kultur sein, aber doch eher ein trauriger, wie Herr Guttenberg zu erzählen weiß. Statt zu kopieren, könnte man ja zur Originalquelle verlinken, aber das scheint völlig aus der Mode gekommen zu sein. Und damit wär ich beim Geschäftsmodell der genannten Firmen. Ja, “Copy&Paste” ist Teil von deren Geschäftsmodell. Sie haben selbst nach deutscher Gesetzeslage nichts zu fürchten, die Nutzer tragen das Risiko. Die Unternehmen machen mit fremden Inhalten das Geschäft, Verlinkungen zu anderen Webseiten sind bei manchen Communities ungern gesehen, werden zum Teil unterbunden, die Nutzer sollen gefälligst auf der Community-Website bleiben und da ist “Copy&Paste” natürlich sehr hilfreich.
Ich wäre dafür, mehr für die Kultur des Verlinkens einzutreten, weniger für die des Teilens auf “Copy&Paste”-Basis. Denn das würde Urheber tatsächlich fördern und nicht die Geschäftsmodelle von Community-Anbietern.
@H.-P. Da hast Du recht, dass Teilen euphemistisch sein mag und Dein Einwand ist auch berechtigt. Ich habe “Teilen” gewählt wegen des berühmten “Shares” von Facebook. Und der Satz ist mehr eine Feststellung und wertfrei. Ob ich das gut finde oder nicht spielt dabei keine Rolle. Das ist ähnlich wie mit der Musik. Die Zeiten wo eine Band, ein Rockstar identitätsstiftend für die Jugend ist, ist nahez vorbei. An stelle des neuen Albums ist das neueste Gadget gerückt. Etwas was ich traurig finde, aber es wäre töricht zu denken man selbst oder Gesetze könnten was daran ändern.
Es wäre halt die Kriminalisierung einer ganzen Generation.
Kleine Feinheit: ein Buyout überträgt nicht alle Rechte des Urhebers. Letztendlich räumt der Urheber damit lediglich ein uneingeschränktes und ausschließliches Nutzungs-/Verwertungsrecht an dem Werk ein. Die Urheberpersönlichkeitsrechte sind nicht übertragbar und trotz Buyout kann der Urheber noch einige Rechte bei der Verwertung ausüben.
@Lsawesome Danke korrigiee ich.
Das Problemm aus Urheber-/Verwertersicht sind doch nicht die nicht-kommerziellen Privatblogs. Es sind Nerdcore&Co, Blogger mit Blogs, die zu den meistgelesenen gehören und die einen Teil, wenn nicht sogar den weitaus größten Teil ihres Einkommens mit Fotos und Stories bestreiten, die nicht ihrer Kreativität entsprungen sind. Das trifft natürlich auch auf FB, pinterest und andere zu, die leider in der Diskussion zu kurz kommen.
Das Recht entspricht also nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen. Wie soll ein andere aussehen? In jedem Fall müssten dann Nerdcore&Co für die Rechte zahlen – waa sie auf keinen Fall wollen, weil damit ihr prekäres Geschäftsmodell zum Einsturz käme. Wenn hierzulande die US “Fair Use” Regelung als Paradies gefeiert wird, dann wird verschwiegen, dass es dort eben im Detail auch nicht so einfach ist. Es ist eher eine andere Kultur, jedoch kann man Kultur nicht mit Gesetzen vorschreiben.
@Tim Wen meinst Du mit Nerdcore & Co? Also ich kenne kaum Blogger (Nerdcore ausgenommen) die davon leben oder wirklich nennenswert Geld verdienen. Das ist ein Mythos.
Ich sehe in der Abmahnsache auch Blogger lediglich als Pars pro toto. Es werden ja nicht nur Blogger abgemahnt. Und ich würde Dir Recht geben, wenn es jetzt nur kommerzielle Angebote getroffen hätte (wo fängt die Kommerzialität an, hier bei mir wo ich in der Regel mit Amazon 5-10 Euro im Monat mache was nichtmal die Serverkosten deckelt?). Wie soll man das unterscheiden? Wenn ich mich nicht irre ist rechtlich gesehen jedes Angebot mit einem Werbebanner kommerziell, ungeachtet der Einnahmen. Finde ich so nicht richtig.
Es ist in meinen Augen auch einfacher festzustellen, dass das aktuelle Recht nicht mehr zeitgemäß ist als einen neuen Gesetzesentwurf zu präsentieren.
Die Frage “Wie soll ein andere aussehen?” ist also imho Schritt 2 und sollte nicht genutzt werden um Kritiker mundtot zu machen. Auch geht es darum gar nicht. Es geht einzig und alleine darum, dass die Möglichkeit eines Abmahngeschäftes besteht, da es in der Höhe der Streitwerte keine ausreichende Regulierung gibt. Da könnte man z.B. Regeln, dass eine Strafe in Tagessätzen bezahlt wird oder sich nach dem Umsatz des Blogs richtet. Politer wie z.B. Leutheusser-Schnarrenberger haben diese Gefahr schon lange identifiziert.
Fair Use würde höchstwahrscheinlich keinem der abgemahnten Blogger helfen, zumindest da sind wir uns einig und würde ich hier auch gar nicht mit reinschmeißen.
@Tim
Aus Sicht einiger Menschen besteht tatsächlich das Problem, dass es viele Aggregatoren von fremden Inhalten gibt, die damit Geld verdienen. Was bei dieser Diskussion aber häufig vergessen wird, ist die Leistung, die diese Aggregatoren beisteuern. Sie liefern dem Urheber Klicks und tragen zur Verbreitung bei.
Nun ist es so, dass der Urheber das Recht hat, die Verbreitung zu regulieren und kommerziell auszunutzen.
Wenn dieser sich aber dafür entscheidet, das nicht zu tun, sondern etwas auf facebook, tumblr etc. hochzuladen, wo es unreguliert geteilt werden kann und auch kommerziell ausgenutzt werden kann, macht es schlicht keinen Sinn, die Verbreitung auf Blogs unterbinden zu wollen, solange hier auch verlinkt wird und der Name genannt wird.
Wenn das Teilen auf dem Blog Qualitativ dem Teilen auf facebook entspricht, kann man hier von keinem Verletzen des Interesses ausgehen.
Und in dem Fall dieser konkludenten Einwilligung, die man dann fingierten muss, muss man sich auch nicht mehr um Rechte kümmern.
Juristisch ist vielmehr den meisten Urhebern vorzuwerfen, dass sie ihren Willen und ihre Vorstellung von den geforderten Lizenzen nicht deutlich machen können.
Eine Lösung wäre, wenn man Lizenzmodelle wie Creative Commons benutzen würde. Dann würde klar, was der Urheber möchte.
Aber Fotos auf einer Plattform zu teilen, auf der man wortlos zum Teilen auffordert, nicht reguliert in welchem Kontext das passiert, zulassen, dass es kommerziell geschieht und sich dann im Nachhinein beschweren, wenn jemand genau das tut, ist nicht akzeptabel.
Immer das Gleiche, Abmahnungen sind noch immer ein Massengeschäft. Wie ist es ausgegangen? Habe dieses Thema bei meinem Namensvetter im Google+ Account gefunden.
Und weiter geht’s mit guten Nachrichten:
http://www.getdigital.de/blog/geeksisters-vor-gericht-wegen-abmahnung-durch-hgm/
Die Justiz braucht zwar ewig, aber… HGM Press Michel OHG mit ActiveLaw Rechtsanwälte haben verloren:
http://www.rechtsanwalt-metzler.de/recht/lg-potsdam-2-o-28214-nutzungsrechte-fuer-fotos-im-internet-koennen-nicht-oertlich-beschraenkt-werden
Da hast Du recht, dass Teilen euphemistisch sein mag und Dein Einwand ist auch berechtigt. Ich habe “Teilen” gewählt wegen des berühmten “Shares” von Facebook. Und der Satz ist mehr eine Feststellung und wertfrei. Ob ich das gut finde oder nicht spielt dabei keine Rolle. Das ist ähnlich wie mit der Musik. Die Zeiten wo eine Band, ein Rockstar identitätsstiftend für die Jugend ist, ist nahez vorbei. An stelle des neuen Albums ist das neueste Gadget gerückt. Etwas was ich traurig finde, aber es wäre töricht zu denken man selbst oder Gesetze könnten was daran ändern.
Es wäre halt die Kriminalisierung einer ganzen Generation.