Netzpolitik ist eines der erfolgreichsten Blogs hierzulande. Seit 9 Jahren berichtet es über so wichtige Themen wie Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter. Gerade wenn die Netzneutralität, wie jetzt gerade, bedroht ist ist das Blog weit vorne mit dabei. Ein Selbstläufer, magst Du denken, doch refinanzieren tut sich das Projekt bei weitem nicht. André Meister und Markus Beckedahl wollen ihr Blog ausbauen und sind dabei auf Spenden angewiesen. Ist der Webjournalismus damit gescheitert, könntest Du überhöht fragen. Wie kann es sein, dass eines der bekanntesten und wichtigsten Blogprojekte am Hungertuch nagt?! Markus stand mir Rede und Antwort.
Ihr gehört zu den erfolgreichsten deutsch(sprachig)en Blogs und habt dennoch keine Kohle. Wie zum Teufel passt das zusammen?
Wir haben im Durchschnitt 30.000 Leserinnen und Leser am Tag, aber anstatt eines Geschäftsmodells haben wir eher eine erfolgreiche Geldverbrennungsmaschine. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir einerseits doch noch zu klein für Werbetreibende sind, andererseits sind wir wahrscheinlich zu politisch. Wenn in Deutschland in Blogs geworben wird, dann in denen wo es um Unterhaltung, Mode und/oder Gadgets geht. Unser Ziel war und ist auch gar nicht, ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Wir wollen aber über digitale Bürgerrechte aufklären und der Politik und Wirtschaft auf die Finger schauen. Das kostet einfach viel Zeit und damit Geld.
Haben die klassischen Verleger gar Recht? Müssen neue Finanzierungsmodelle angedacht werden? Wie wäre es mit einer Paywall?!
Wir sagen ganz klar: Offenheit und Unabhängigkeit sind uns sehr wichtig. Eine Paywall fällt damit raus und wir wollen auch nicht einen großen Konzern gewinnen, der uns als Sponsor unterstützt und wo dann viele Kritiker sagen würden, dass unsere Meinung damit gekauft sei. Andere journalistische Blogs haben es da deutlich einfacher, Refinanzierungsmodelle zu finden.
Guter Journalismus kostet was. Das ist das was wir tagtäglich hören. Was nichts kostet kann nichts sein und vor allem die unsägliche Unterscheidung zwischen Blogger und (echten) Journalisten. Wie siehst Du das und besteht die Sorge, dass ihr genau dahingehend ein Signal nach außen sendet?
Wir haben in den letzten neun Jahren über 12.000 Artikel kostenfrei und Creative Commons lizenziert ins Netz gestellt. Wir sind Blogger, arbeiten aber journalistisch. Und zugleich mit den Ansprüchen, immer journalistischer zu arbeiten, wächst auch die Arbeit. Was Anfangs als mein Hobby begann, wurde ein Full-Time-Job und irgendwann brauchte ich mal Unterstützung durch eine zweite Person. Die könnten wir uns aber eigentlich nicht leisten. Zudem wollen wir noch viel mehr machen, schaffen es aber heute schon kaum, die vielen Themen abzuarbeiten, die täglich rund um Politik, Internet und Netzpolitik passieren, in Deutschland wie in der EU wie global.
Das heißt guter Journalismus kann durchaus kostenfrei sein und bleiben? Lediglich Masse und Ausbaupläne sind bei Euch der Unterschied?
Natürlich kann guter Journalismus auch kostenfrei sein und bleiben. Aber dann müssen die Leserinnen und Leser auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie bei der Refinanzierung mitwirken müssen, damit weiter Inhalte gemacht werden können. Wenn sich Journalismus vor allem über Werbung finanziert, bedeutet das, dass man als Leser seinen Adblocker bei guten Inhalten ausschalten sollte, weil diese ja über Aufmerksamkeit refinanziert werden. Oder aber man unterstützt Journalismus durch freiwillige Abos. Wir überlegen auch, ob wir vielleicht eine Art Club für freiwillige Förderer entwerfen, wo diese z.B. Veredelungen unserer frei zugänglichen Inhalte erhalten, wie z.B. alle Blog-Texte auch vorgelesen als Podcast oder die Tageszusammenfassung für den eBook-Reader per Mail. Damit könnten wir vielleicht die Motivation erhöhen, mehr Leserinnen und Leser für unser freiwilliges Abo zu begeistern, weil man dann psychologisch einen Vorteil gegenüber nicht-zahlenden Leserinnen und Lesern erhält, aber die eigentlichen Inhalte weiterhin allen zugänglich sind.
Was wäre das Finanzierungsmodell welches Dir am meisten zusagen würde? Ihr bietet ja unzählige Möglichkeiten an. Ich persönlich überlege Euch einen Dauerauftrag einzurichten. Fern ab von den Floskeln “Jeder Cent hilft”. Welchen Betrag fändest Du persönlich monatlich angemessen?
Es gibt nicht mehr das eine Refinanzierungsmodell für Onlinejournalismus. Je nach Thema, Zielgruppe und Umfeld muss man verschiedene Säulen entwickeln. Für uns war klar: Wenn unsere Unabhängigkeit und Offenheit sowohl uns als auch unseren Leserinnen und Lesern wichtig ist, müssen wir eine Säule mit Schwarmfinanzierung aufbauen. Nun würden wir uns freuen, wenn über unsere Leserinnen und Leser tatsächlich 10.000 Euro im Monat reinkommen würden, um unsere Angebote noch weiter ausbauen zu können. Dafür müsste nur jeder 30. 10 Euro im Monat spenden oder jeder 15. 5 Euro. Aber so optimistisch sind wir dann doch nicht. Geld spenden ist aufwändig, auch wenn ein Dauerauftrag nur wenige Minuten kostet. Und wenn etwas kostenlos ist, wollen viele trotzdem oder gerade deswegen nichts freiwillig geben. Wir freuen uns trotzdem über jeden Euro, weil das ja auch eine Wertschätzung unserer Arbeit ist.
Wir schauen also nach weiteren Säulen, wovon Werbung eine ist. Aber da die meisten Leserinnen und Leser Adblocker nutzen, skaliert das nicht. Und wir sind wohl nicht das attraktivste Werbeumfeld für Unterhaltungsprodukte. Weiter schauen wir, ob wir Stellenanzeigen und einen Veranstaltungskalender anbieten können. Und wir haben eine Debatte gestartet, wo wir unsere Leserinnen und Leser gefragt haben: Was ratet Ihr uns, welche Ideen habt Ihr, die wir noch nicht auf dem Schirm haben? Die Zwischenergebnisse davon will ich auf der re:publica in einem Vortrag vorstellen.
Viele Modelle fallen raus, weil wir explizit nicht mit dem Blog auf unsere Fähigkeiten aufmerksam machen wollen, um dann Geld über DIenstleistungen zu verkaufen. Wir brauchen mehr Geld, um mehr Zeit für netzpolitik.org zu haben, um mehr recherchieren zu können, mehr Themen bearbeiten zu können und vor allem mehr Themen auch Einsteigerfreundlicher schreiben zu können. Das ist aufwändiger als mal kurz die eigene Meinung zu Thema X einfach raus zu bloggen.
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