Die Medien feiern, Politiker gratulieren. Auch Merkel. Stellvertretend sagte ihr Regierungssprecher Steffen Seibert:
“Es ist gut, dass er über etwas spricht, das ihm wichtig ist, das ihn womöglich auch befreit. […] Wir leben in einem Land, in dem niemand Angst haben sollte, sich zu seiner Sexualität zu bekennen.”
Moment, Merkel, das war doch die Kanzlerin, die beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare in der ARD noch sagte, dass sie sich “schwer tue mit der völligen Gleichstellung” und sich “persönlich” nicht für eine komplette Gleichstellung einsetze wolle. Als Grund dafür gab sie das Kindeswohl an. (Un-)genauer: “Sie tut sich schwer damit.”
Merkel, das ist die Kanzlerin, die Wahlkampf bei religiösen Vereinigungen macht, die “Homo-Heilung” propagieren. Natürlich gibt es in der Medienlandschaft auch kritische Stimmen. Hervorzuheben sei da der Tagesschaukommentar von Esther Schapira.
Doch bleibt Homophobie ein grundliegendes Problem in der Gesellschaft. So ist in Baden-Württemberg eine Debatte über den Umgang mit Homosexualität im Schulunterricht entbrannt, die mit Hass nicht kleckert, sondern klotzt. Zehntausende Bürger wollen verhindern, dass Homosexualität künftig ausführlicher im Unterricht behandelt wird. Nele Tabler beschäftigte sich mit der Petition ausführlich.
4 Kommentare:
Unerträglich wie selbstgefällig und verklärend trotzdem darauf hingewiesen wird, in welch toleranter Gesellschaft wir leben würden und wie zeichengebend es sein würde, dass der Gauck Sotchi boykottiert.
Trotz allem von einer toleranten Gesellschaft zu sprechen scheint aber ein generelles Problem der Menschheit bzw. von sprachlicher Wahrnehmung zu sein.
In der Geschichte fällt auf, dass sich Gesellschaften schon immer mit Worten schmückten, die bei genauerem Hinsehen bzw. nach aufgeklärten Maßstäben nicht wirklich zutreffen. Ich erinnere an die Athener Demokratie, die Frauen und Sklaven ausschloss oder das “Land of the Free”, womit offenkundig nur weiße Männer gemeint waren/sind.
Das hängt wohl damit zusammen, dass sich niemand für schlecht oder böse hält und sich gern mit positiven Attributen schmückt. Wählt man zuerst das Attribut und sucht dann nach Belegen dafür, wird man auch fast immer zufrieden gestellt. Auf diese Weise kann man Negatives ausklammern.
Man weigert sich wohl aus Angst vor dem Ergebnis vor dem Wahrheitsfindungsmuster “These, Antithese – Snythese”. Stellt man das Ergebnis voran, kann man natürlich wesentlich beruhigter sein.
Solange die Medien nicht im gleichem Umfang darüber berichten wenn sich ein “Promi” als heterosexuell outet, ist nichts akzepiert, tolleriert oder gleichgestellt.
Im Spiegel erschien dieser Artikel zur Petition:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/spon-a-942653.html
Ein Freund von mir wehrte sich entschieden dagegen, dass das christlich motiviert sei und vermutete atheistischen Fundamentalismus, der seinerseits zu Intoleranz führen würde.
Nun haben aber sowohl die katholische und die evangelische Kirche eine gemeinsame Unterstützererklärung verfasst und lehnen die Pläne der Landesregierung ab.
http://www.spiegel.de/schulspiegel/spon-a-942877.html
Ich weiß jetzt gar nicht, wie man mit solchen Leuten redet. Auf der einen Seite würde ich ihm gern zeigen, dass es eine institutionell inhärente Homophobie in den Kirchen gibt und er sich als Gläubiger darüber Gedanken machen sollte, auf der anderen Seite vermute ich, dass er sich dabei so angegriffen fühlt, dass er nicht mehr rational denkt.
Ich würde ihn trotzdem gern zu einer Debatte anregen ohne ihn vor den Kopf stoßen zu wollen.
Schwierig