Sick Sad World

Sick Sad World: Neue Rechte – Konservatismus quo vadis?!

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Deutschland 2014. Die Onkelz sind zurück, Frei.Wild darf beim Echo in der Katergorie “Bester Blut & Boden Rock” antreten und ich habe ernsthafte Angst davor, dass Matussek mit seinem Kumpel Fleischhauer eine Neue Deutsche Härte Band gründet, die die beiden vorher genannten weit in den Schatten stellt.

Der ärgste Konservatismus ist viel eher im so called “Kulturbetrieb” zu finden als in der Politik selbst und ist doch eigentlich reaktionär. Gut, wir haben die AfD, deren Frage nach Rassismus und Antisemitismus in der Partei Lucke nicht beantworten wollte, das taten dann seine Anhänger*innen für ihn. Aber der Konservative der selbsternannten “Mitte”, der sich selbst als intellektuell wahr nimmt, mittlerweile gar als progressiv, da er seine MeinungTM konträr zum Konsens sieht und damit als frech (wie ein bisschen Haargel) rüberkommt. Manch einer bezeichnet sich wohl selbst gerne gar als “rebellisch”.

Dieser Konservative ist kein Nazi, aber… er ist nicht Rassist, aber… und vor allem ist er gebildet und will mit Pöbel und Mob nichts zu tun haben, weil ja elitär. Neue Rechte eben, die sich klar von der dem Nationalsozialismus verhafteten Rechten abgrenzt. “Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!” wurde so vom gerne überstrapazierten Stammtisch schnurstracks auf Theaterbühnen gebracht. Oder ins Cicero, das umsonst im ICE rumliegt, sofern Du erste Klasse fährst. Und wem das zu zahm ist, der kann ja noch auf die antiimperialistische Alternative Compact zurückgreifen.

Der Freitag fragt wer hat Angst vor Schwulen, Moslems und Frauen? Don Alphonso würde bei der Frage alleine schon im Quadrat springen. Und auch er ist schon im Feuilleton angekommen, dort wo Matussek einst startete. Oder wie es Michael Seemann formuliert:

“Im Gegensatz zu heute hatte Don Alphonso [früher] allerdings keinen so mächtigen Resonanzboden aus unkritischer Empörmasse zu orchestrieren […]”

Doch um Alphonso geht es beim Freitag nicht. Es geht u.a. um Matussek, um Sarrazin oder um Kelle, die im Freitag als neue Eva Herman bezeichnet wird. Genau dieser Vergleich, ob zu unrecht oder nicht, zeigt auf was sich in nur wenigen Jahren änderte. 2007 wurde die Zusammenarbeit seitens der ARD-Anstalt NDR mit Herman wegen ihren Aussagen und Büchern beendet, Kelle dagegen ist gern gesehener Gast in vielen Talkshows wie Beckmann, Lanz, Menschen bei Maischberger etc. Oder um einen Vergleich auf politischer Ebene ranzuziehen: Im Mai 2010 musste Köhler den Hut ziehen, da er sagte, dass im Notfall wirtschaftliche Interessen einen militärischen Einsatz notwendig machen könnten. Noch im selben Jahr, November 2010, war die gleiche Argumentation für Guttenberg kein Genickbruch.

Und sie alle sind nicht alleine, das zeigt die Rede der Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff in der künstliche Befruchtung verurteilt wurde und in der sie sich voller “Abscheu” über Kinder äußerte, die auf solch “abartigen Wegen” entstanden sind. Und so verschieden die vielen Genannten hier doch sind. Es ist eine Sache die sie verbindet. Sie alle wecken den Anschein, dass jegliche Empathie schlicht nicht vorhanden ist.

Ich würde die Liste gerne um Unzählige erweitern, doch das dürfte den Rahmen sprengen. Gemein ist ihnen nicht nur der Reaktionismus, sondern auch eine breite Wirksamkeit. Eine Akzeptanz, oder anders: Sie sind mitten im Establishment und werden dort auch ernst genommen oder zumindest als diskussionswürdig erachtet. So schreibt die Sächsische Zeitung zu Lewitscharoff, dass ihre Rede “mutig” gewesen sei.

Die Ironie will, dass sie auch wunderbar als Feindbilder dienen und auf stumpfe Äußerungen stumpfe Repliken folgen, die stumpfe Aufmerksamkeit schafft. Politischer Clickbait sozusagen. Noch ironischer, dass dieser Post genau das hier auch tut. Oder um die im Titel gestellte Frage zu beantworten: Es wird stramm nach rechts marschiert aber das ist IMHO gar nichts neues!



    3 Kommentare:

  • Emanon schreibt am 7. März 2014 um 16:22

    Es beruhigt mich zu wissen, dass Leute wie du und und der Freitag dieses Phänomen analytisch begleiten. Traurig genug, dass der Großteil der Debatte so wie die Krim-Krise mit 40 Jahre alten Definitionen geführt wird. Es scheint als würden die Journalisten und Politiker (bzw. der Hauptteil der Menschen an sich) das Weltbild, mit dem er im jugendlichen Alter sozialisiert wurde, als unabänderliche Basis seiner Erkenntnisse gebrauchen.
    Dieses Prinzip lässt sich ganz gut beobachten, wenn Leute erwähnen, wie viele Menschen auf dem Planeten leben. Die meisten Menschen zwischen 20 und 40 werden intuitiv wohl “um die 6 Mrd.” sagen, die Zahl, die sie aus der Schule kennen, auch wenn sie auf direkte Nachfrage vielleicht die richtige Antwort wissen.
    Ich gehe davon aus, dass viele in ihrer intuiven Bewertung einer Situation keine Selbstskepsis walten lassen und bewegliche Prozesse mit der vergangenen Momentbewertung ihrer Ausbildungszeit analysieren.
    Dieser Prozess hat wahrscheinlich auch zur Folge, dass viele Menschen ihre reaktionäre Kleinbürgerlichkeit mit in die neue progressive Welt genommen haben und eine diffuse Ablehnung spüren, die sie undeutlich und herumdrucksend kanalisieren indem sie zur Toleranz von Homosexuellen aufrufen, aber doch irgendwie die “Homoehe” nicht gleichstellen wollen, alle Religionen tolerieren wollen, aber ja doch irgendwie mehr christlich geprägt sind usw.

  • majestyx schreibt am 8. März 2014 um 12:30

    Hallo Daniel,
    *Danke* für diesen Artikel. Was kömma’ machen? IMHO: Andere (Soziale) Strukturen weiter ausbauen. Gegenöffentlichkeit machen/schaffen. (Macht das Kotzende Einhorn ja prächtig.) Weiter “diggern” …. Der nächste Schritt zum Pogrom 2.0 ist auch schon gemacht:
    (B) Politiker und Zeitungen rufen zu Brandstiftung auf
    https://linksunten.indymedia.org/de/node/107802

    @Emanon: das Sein bestimmt das Bewusstsein. Und, Bitte: Schließe nicht von dir auf andere….

    @Menschheit: Good Night & Good Luck

  • Daniel Decker
    Daniel schreibt am 8. März 2014 um 14:03

    @majestyx Gegenöffentlichkeit ohne Reichweite ist müßig, aber notwendig.

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