Embedded Journalism. Einmal bei den Großen mitspielen. Grund genug unseren Österreich-Korrespondenten Markus Brandstetter da hin zu schicken wo es weh tut. Direkt in das Zentrum des Mainstreams. Den neunten Kreis des Schlagerpops. Direkt zu Helene Fischer. Statt Qualen wurde er jedoch errettet und erlebte seine popkulturelle Marienvision. Erwachet!
Helene Fischers Einlösen des Glückseligkeitsversprechens für alle 45.000 von uns ist unverbindlicher als die vergleichbaren heiligen Stadionmessen von U2 und Coldplay. Die Welt draußen ist eine schlechte, unser Leben Mühsal, das ist impliziert, eine Extra-Erwähnung würde gegen die Laune der Heilsbringung arbeiten. Eskapismus, mehr noch: Endorphinsommerregen. A sky full of stars. Wie Fontänen schießen grüne Papierschlangen vom Himmel über und auf unsere Köpfe, dazu gibt es Feuerwerke, Symphonien, Erlösung. Helene, die mythologische Ur- und Übermutter des Schlagers, die Tochter des Zeus und der Ledas, die perfekte Menschmaschine erscheint im gelben Retrofuturismus-Kleid, singt für unsere Sünden, tanzt für unsere Sünden. Weil wir viel gesündigt haben, muss es viel Gesang und Tanz geben. Heilige Helene, bitte für uns.
Sie hat für uns alles dabei: Streicher, Bläser, Tänzer, Musical, eine eigene Helene-Fischer-App für Smartphones, die irgendwann später ein ganzes Lichtermeer anrichten werden. Manchmal spielt die Band Neo-Popklassik-Kitsch oder Rock’n’Roll-Riffs, Helene verschwindet derweil und kommt mit neuen Kostümen empor. Einmal sieht sie aus wie die Hüterin des Lichts von Eternia aus der 1987er-Verfilmung von “Masters Of The Universe”, später kommt sie im Jeans-Suit.
Helene Fischer ist perfekt, über- und unmenschlich perfekt. Ich spüre Liebe, Demut und Angst. Die Musical-Einlagen mit den Tänzern sind furchtbar, aber es darf nichts fehlen. Auch Songs von anderen nicht, “Simply The Best” von Tina Turner, “Sexy” von Marius Müller-Westernhagen, “Männer” von Herbert Grönemeyer, “Everything I Do (I Do It For You)” von Bryan Adams. Die Stadion-Liturgie erfordert das. Irgendein Lied hat auch der Graf von Unheilig geschrieben, Helene findet die Botschaft wichtig. 45.000 Menschen klatschen diszipliniert enthusiastisch, das Exerzieren der Seelenrettung ist wohlgeprobt, verläuft reibungslos.
An Tagen wie diesen baden wir in Unendlichkeit. Carpe Diem und Sehnsucht, Lambada und in zerrissenen Jeans um die Häuser ziehen. Es ist alles bunt, überfröhlich, ganzheitlich, heil. Die Schlagerbeats und Fanfaren könnten auch von Coldplay sein. Vielleicht auch von Beyoncé. Dann wäre Florian Silbereisen Jay-Z. Später dann fliegt Helene quer durchs Stadion, das macht Sinn, das macht glücklich, das macht staunen und offene Münder. Sie macht Saltos und Akrobatik, singt und transpiriert dabei wahrscheinlich nicht. Sie winkt uns zu beim Fliegen, segnet uns.
“Das hier werden uns Slayer nicht geben können”, sage ich zu meinem Kollegen. Kurz darauf spielt sie “Atemlos durch die Nacht”, ihren großen Hit. Der krönende Abschluss. Urbi et orbi, ausgiebig, ausgelassen, voller Schlager-Grandezza. Danach wartet die Nacht. Die überfüllten U-Bahnen werden nach Schweiß riechen, nach Alkohol und Glück. Wir beschließen, lieber zu laufen. Daheim angekommen, falle ich ich in einem mir bis dato unbekannten Gefühlscocktail in einen ruhigen und traumlosen Schlaf. Am nächsten Morgen sehe ich den mitgebrachten Becher mit ihrem Antlitz, und denke wieder an die Verfilmung von “Masters of the Universe”. Genauer gesagt an die Schlussszene von “Masters of the Universe” , als Julie in der modifizierten, besseren Realität aufwacht und sich an Eternia erinnert. Mir geht es gleich: Eternia war in Wien und wir waren dabei.
2 Kommentare:
Respekt… ob ich diese “Ehre” des Konzertes ehrfürchtig überstanden hätte, wage ich zu bezweifeln.
Ich hätte versucht mir meine Ohren abzureißen.