Lieber Thomas, was ist Edition Fieber? Ein Label, eine Kunstreihe? Wie würdest Du es in wenigen Sätzen umreißen für jemanden der noch nicht mit Euch in Kontakt kam?
Edition Fieber versteht sich als Künstlerschallplattenlabel. Wir interessieren uns für Künstler_innen, die neben ihrer Kunst auch als Musiker_innen aktiv sind und sich diesem Feld mit derselben Leidenschaft und Dringlichkeit widmen. Für uns gehen dabei Musik und Kunst Hand in Hand in dem Sinne, dass beide Komponenten zusammen ein künstlerisches Artefakt ergeben. So erhoffen wir Impulse für einen gegenseitiges fruchtbaren Dialog zwischen den beiden Feldern anzustiften.
Ihr bringt aber auch Künstler_innen und Musiker_innen zusammen wie entstehen diese Konstellationen? Kommt das vom Label oder sind sie Beteiligten bereits untereinander bekannt und die Musiker_innen erzählen sich ihre Künstler_innen für das Artwork?
Das Konzept sieht streng genommen vor, dass der Bildende Künstler auch als Musiker aktiv ist. Wenn man die Diskografie durchgeht, dann stimmt das so bei Claus Richter (7), Raymond Pettibon (4) und Kai Althoff (2) im tiefsten Sinne der Worte. Bei David Shrigley (3), Terence Koh (5) und John Bock (6) wussten wir um die Affinität und dass es schon mal Ambitionen gegeben hatte und haben da dann quasi angestupst. So war es auch bei der allerersten Edition mit Cosima von Bonin geplant. Aber sie wollte dann lieber ein Stück, das Justus Köhncke bei ihr im Haus für sie aufgenommen hatte veröffentlicht sehen statt sich persönlich einzubringen via Gesang oder so. Das war dann für Jan Lankisch, mit dem ich Edition Fieber betreibe. und mich auch ein schöner Gedanke.
Das Konzept sieht ja weiter vor, dass ein zweiter Act auf der zweiten Single Musik beisteuert. Das geschieht immer auf Wunsch der Künstler_in hin. Ausnahmen bestätigen auch hier das Konzept. So nahm Pettibon alle 4 Stücke mit Mike Watt und Band auf. Dito John Bock. Und Claus Richter ist sowieso ein kleiner Popstar und deswegen lag der Gedanke nahe, dass er alles alleine macht.
Ich stelle Edition Fieber im Rahmen einer Themenwoche zur 7inch vor. Ist es Zufall, dass alle Releases bisher im 7inch Format sind oder Absicht?
Absicht, es ist ein wunderbares Format. Da passt einfach alles: das Format gibt genug Spielraum für Gestaltung, es reduziert den Platz für die Musik auf das Wesentliche: 1 bis 2 Songs.
Die Preise bei Edition Fieber sind für 7inches dann auch recht ungewöhnlich. Wie sehen Käufer_innen der Edition aus? Sind es Musikliebhaber_innen oder doch eher Kunstliebhaber_innen? Oder vermutlich im Besten Falle beides?
Die Idee war und ist es, dass wir Fans aus beiden Bereichen ansprechen. Uns ist natürlich bewusst, dass die Preise erstmal hoch erscheinen, wenn man es mit dem klassischen Singles-Markt abgleicht. Wenn man sich jedoch den Kunstcharakter bewusst macht, stellt man schnell fest, dass wir die Editionen im Vergleich günstig positionieren. Unser Wunsch ist es nämlich möglichst viele für den künstlerischen Tanz zwischen den Ausdrucksformen zu interessieren und auch möglichst vielen den Erwerb zu ermöglichen.
Eine Arbeit von Pettibon, signiert und nummeriert für 88€, das empfinde ich als sehr fair. Hoffentlich du und die Leser_innen auch…
Ich empfinde auch die Internationalität als toll. Wir bekommen Bestellungen von wirklich überall auf der Welt: von Australien über Japan, Chile, Peru bis hin natürlich Amerika.
Ich stell mir das tatsächlich für manche schwierig vor. DIY-Labels erschaffen auch häufig – oftmals durch finanzielle Beschränkungen – limitierte handnummerierte Auflagen und dann gerne mit sehr schönem Artwork. Letztens kaufte ich eine 7inch mit einem schönen Linolschnitt-Druck z.B. – Und ich muss zugeben, dass ich das erste Mal als ich auf Euer Label stieß dachte: “WTF?! Was sind das für Preise?” – Bei näherer Betrachtung kann ich das allerdings wieder nachvollziehen. Der Ansatz der Edition Fieber ist eben doch ein anderer als der von einem kleinen Label aus Neuss mit einem LoFi-Singer-Songwriter der im Keller was einspielte und dann Farbkopien im Copyshop nebenan macht.
Es ist ja auch so, dass gerade bei sinkenden Verkaufszahlen ein “Produkt” nahezu verschenkt wird. Wenn Du eine 7inch in einer 200er Auflage für 5 Euro kaufst, dann ist das eigentlich zum Einkaufspreis. Da hat niemand was am Songwriting, der Aufnahme, dem Mastering oder dem Artwork verdient. Ich glaube das ist vielen draußen auch gar nicht klar.
Absolut. Es ist ja so, dass ein Druck von Pettibon, um beim Beispiel zu bleiben, der in ähnlicher Auflage hergestellt wird, also zwischen 100 und 200 Exemplare, bereits das x-fache unserer Edition kostet. Das geht dann bis zu 2000€ für einen Druck.
Außerdem kommt hinzu, dass zum Beispiel eine Edition wie jene von Claus Richter am Ende pro Stück in der Herstellung tatsächlich um die 30€ gekostet hat! Das ist noch okay mit der Gewinnspanne, wenn wir das direkt via unsere Seite verkaufen, aber ein Großteil unserer Editionen geht via Vertrieb auch in die Museumsshops und da ist der Einkaufspreis in so einem Fall gar nicht sehr weit über dem Herstellungspreis.
Das heißt plötzlich ist die Absurdität, dass die Labels im Prozess am meisten Risiko tragen und oft am wenigsten vom Ertrag sehen, der den regulären Tonträgermarkt prägt, gar nicht mehr so weit.
Macht Ihr eigentlich auch Ausstellungen mit der Edition Fieber? Ich kann mir das ja gut vorstellen die Singles von Terence Koh wirken bestimmt recht beeindruckend wenn da die verschiedenen Exemplare präsentiert werden.
Ja. Wir hatten zuletzte eine “Retrospektive” in Mannheim im Rahmen des jetztmusik festivals.
Da spielten Doctorella in der Galerie. Später gaben Phantom Kino Ballett eine Performance im Kino. Und am Ende legte Lena Willikens auf.
Und kannst Du schon verraten was als nächstes kommt?
Da ich mich gerade wenn es um Idealismus und Selbstausbeutung geht primär Kaput widme, kann ich die nächste Veröffentlichung tatsächlich noch nicht genauer umreißen.
Das ist noch work in process im Kopf, was auch damit zu tun hat, dass man eben genau überlegen muss, was man nicht nur selbst spannend findet, sondern eben auch ein paar andere Leute noch.
Generell würde ich gerne mal mein Faible für Japanische Musik in die Edition mit einbringen.
Hier findest Du alle weiteren Beiträge der 7inch-Themenwoche!
Ein Trackback: