Schrot und Korn

Magazine aus dem Magazin (6) – Schrot und Korn – Bio leben, Bio lieben (09/2017)

„Raus aus der Blase!“, so hieß es mahnend nach dem Sieg der Postfaktiker in den USA und Sachsen. Schließlich waren wir alle ein bisschen schuld an deren Durchmarsch. Klar, wenn man immer nur in 1 Internetz abhängt und naise antideutsche Witze macht vong Pollitick her, wird es nichts mit der Agitation der Massen. Wir müssen wieder Dinge lesen, die wir gar nicht lesen wollen! Jasper Nicolaisen nimmt es auf sich und studiert jeden Monat eine von den Zeitungen, die in der Bibliothek immer hinter diesen komischen Fächern mit Plexiglasscheiben liegen.

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Diesmal: Schrot und Korn – Bio leben, Bio lieben (09/2017) und Der Bunte Hunde – Magazin für Kinder in den besten Jahren (vergriffen), sowie ein nicht mehr genau erinnertes Bahnhofsmagazin mit Joschka Fischer.

Achtung, nicht auf den Titel gucken! Zeitung einmal durchblättern – na, was glaubst du, wie das Blatt heißt?

Die Kartoffel – Vierjahresschrift dafür, dass alles bleiben soll, wie es ist.

In Wirklichkeit: Schrot und Korn – Bio leben, Bio lieben.

Ich dachte nur, wegen der vielen Kartoffeln auf dem Titelblatt. Und ganz klein, in dem Kreis, wo du denkst, nanu, noch eine Kartoffel? Ist das jetzt so eine „alte Sorte“ mit einem Namen wie Rossäpfelchen oder Hitlerine? Und warum grinst die so schlaff? Da ist es ein Wahlforscher, der erklärt, warum grüne Themen nicht mehr mobilisieren.

Es ist ja bald Wahl…

Ich finde schon, dass grüne Themen noch mobilisieren. Stricken, heute Crafting, wird als feministisches Empowerment wiederentdeckt. Statt Recycling eben Upcycling: wenn das Leben dir Limonade gibt, mach Pisse draus, und dann wieder Limonade, und aus den Plastikflaschen für die Limo machst du hinterher deine eigene Parkbank zum drauf schlafen. Und dass die Afrikaner eben gar nicht erst in den europäischen Kulturraum eindringen sollen, das finden die Grünen prima, und das Autoland hat ja einen grünen Bismarck mit Bürstenhaarschnitt, der sich nach dem Gottesdienst von den Füßen auf den Kopf stellt und mal eisengrau durchfegt im Ländle, damit die Autos weiter sicher fahren.

Ach, dieses Grünen-Bashing immer. Wir sind doch hier nicht beim Satire-Gipfel auf 3sat. Wie alt bist du eigentlich? Darfst du über so was schon lachen, bis es dir im Hals stecken bleibt?

(leise) 38.

Wie bitte?

Mann, ACHTUNDREISSIG:

Tschuldigung. Aber dieses Grünen-Bashing ist doch wirklich albern. Schlimmstenfalls ist das eine Kleinpartei, die ein bisschen nervt. Aber die schaden doch keinem. Im Gegensatz zur AfD. Von der außerparlamentarischen Opposition, die heute fast durchgängig rechts ist, inklusive Bezug auf feinste französische Spitzendenker, und sogar auch mit etwas griechischer Liebe, streng antik, versteht sich garniert, ganz zu schweigen …

Die tun keinem weh? Manchmal hat es Vorteile, 38 zu sein. Man erinnert sich. Neulich gehe ich am Bahnhofsbuchhandel vorbei, da sehe ich so ein Hochglanz-Politmagazin, und wer errichtet sich da sein persönliches Krötinhall vornedrauf? Der Fischerjockel, ganz Elder Statesman, schlohweiße Fernsehfilosofenmähne wie vom Precht zurechtgewichst und sorgenvoll gefaltete Kinne, so “Hamse schon ein Fischerbild/das die ganze Wand ausfüllt?/Nein, nein wir ham noch keins/aber instagramen tun wir eins” Überschrift: Europa in Gefahr. Und ich denke: Na, durch den ja nun gottseidank NICHT mehr.

Übertreibst du da nicht ein bisschen?

Jugoslawien. Und: I am not convinced. Hartz 4. Und Asylrecht, was ist das? Aber wo du schon von AfD und dem völkischen Arschlochhaufen anfängst: die haben vielleicht die schärfere Rhetorik, die grelleren Grabenkämpfe, das trumpeskere Fleischfest und den funkelnderen Wahn. Aber während die rausfurzen, was Ronny aus Bitterfeld und Dr. Nosske aus Dortmund gemeinsam haben, nämlich, dass man ihnen nix wegnehmen soll vom zusammengegaunerten Rentenschatz, und dass sie jeden, der aus dem Mittelmeer die Hand ausstreckt, persönlich zurückstoßen wollen, da macht die Bundesregierung Geschäfte mit Lybien, dass die Nafris gleich da in Lagern bleiben, die so übel sind, dass sie fast von Deutschen gebaut sein könnten. Damit man sie nicht in Italien und in der Türkei, die so unsichere Bündnispartner sind, erst aufwändig einkerkern muss und dann VON UNSEREN STEUERGELDERN zurückfliegen. Die identitären Burschis müssen gar keine Abfangschiffe im Mittelmeer installieren, das mache schon CDU und SPD mit den Handlagern aus dem Land, das man so gerne falsche ausspricht. Und die Grünen und die Linke und die bald wieder schwarzweiß ins Parlament reklamierte FDP, die tun nichts dagegen. Also, es tötet und deportiert der Regierungsmann, wo die AfD bisher nur die Backen aufblasen kann.

Ich weiß nicht. Finde ich krass. Das ist doch nicht egal, ob man AfD wählt oder die Linke oder nichts.

Vermutlich nicht. Tut mir leid, alte Leute jammern halt gern.

Was steht denn drin in dem Heft?

Welchem Heft?

Schrot und Korn.

Ach so. Also, um mal zu zeigen, dass ich nicht nur bashen kann, sage ich dir mal, was gut ist an dem Heft. Es ist ein sehr schmackhaftes Kochrezept drin für eine Kartoffel-Sellerie-Suppe. Hier, ein Foto. Zweitens, die Kontaktanzeigen. Dafür lohnt sich das Mitnehmen aus dem Bioladen.

Kartoffel Sellerie Suppe - Rezept

Kommt Sex vor?

In den Kleinanzeigen kaum verhohlen. Wo 70jährige mit Interesse an Rudolf Steiner, Homöopathie und Geld Gefährtinnen nicht älter als 55 suchen, die sich auch einen Urlaub mit Wünschelrute vorstellen können, da ist eine sehr klebrige Pesto aus zerstoßenem Granatapfel, jungem Gemüse und per Hand abgepresstem Olivenöl nicht mehr weit.

Witze über Sex von alten Leuten? Heute ist aber echt nicht dein Tag.

Vielleicht ist es ja nur der Neid. Ich wünsche mir als postantideutscher Griesgram Mitte 30 doch auch nur eine Gefährtin ab 55, deren Interessen Geld, Homöopathie, Testamt zu meinen Gunsten ändern und ein früher Tod sind.

Vielleicht solltest du bei den Grünen eintreten.

Das war ich mal.

Nein!

Gib mir mal wieder ein richtiges Hochglanzmagazin zum Rezensieren, und ich erzähl´s dir.

Gebongt. Aber zurück zu Schrot & Korn: Sind Plattenbesprechungen drin?

Weißt du, was noch eine gute Zeitschrift war?

Konkret?

Nein.

Titanic?

Ach was.

Business Punk?

Können wir ernst bleiben?

Es fällt mir heute mit dir ein bisschen schwer.

Der Bunte Hund. Das war noch eine gute Zeitschrift.

Der was?

Der Bunte Hund. Ich hatte das als Kind. Das war so eine Vierteljahresschrift. Das ganze Beltz und Gelberg-Programm war da vertreten, also Nöstlinger, Erwin Moser, Josef Guggenmos, und wunderbare Illustrationen: Nikolaus Heidelbach regelmäßig, aber auch, staune und höre, Walter Moers, der zu der Zeit zwar schon Schweinkram gemacht hat, aber eben immer noch auch Kinderbuchsachen. Die Doppelseite mit Professor Schimauski, aus dem dann später Abdul Nachtigaller in den Zamonien-Romanen wurde, war mein persönliches Highlight. Schimauski hatte da so fiktive Interviews mit Moers, in denen er erklärte, was im Kühlschrank los ist, wenn die Tür zu ist oder warum der Mond aus Käse ist.

Absurdes Format. Wir müssen jetzt mal Schluss machen, zumal dir glaube ich nur noch wenige Leserinnen und Leser folgen können. Letzte Frage vielleicht: was ist im Kühlschrank los, wenn die Tür zu ist?

Alle spielen verrückt und machen Quatsch. Die Fischstäbchen baden im Spinat!

Irgendwie ein Bogen zurück zu den Kochrezepten von Schrot und Korn.

Und zu den Bundestagswahlen.

Ich hab dich lieb. Komm, lass dich mal drücken.

Ich hab dich auch lieb, aber ich habe mich für Ideologiekritik entschieden.

Komm.

Nein!

Bitte.

Na gut. Aber nur kuscheln.



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