1955 war die SPD noch eine ganz andere. Hart wurde diskutiert, ob Deutschland überhaupt über Streitkräfte verfügen solle. Einige Jahre zuvor wurde die Wiedereingliederung ehemaliger Angehöriger der Wehrmacht ermöglicht. Als die Bundeswehr dann gegründet wurde stammten deren Offiziere und Unteroffiziere fast ausnahmslos aus der Wehrmacht – teilweise auch aus der Waffen-SS.
Insbesondere mit der schwierigen Geschichte sollte zu erwarten sein, dass die Bundeswehr sensibel auf rechtes Gedankengut in den eigenen Reihen reagiert. Bereits 1998 wurde kritisiert, dass die Streitkräfte sich niemals der Diskussion um Verantwortung und Schuld der Wehrmacht stellte.
Die 90er Jahre – Detmold, Schneeberg, Einzelfälle – Der Versuch einer Chronik
1990 nahmen Soldaten der Fallschirmjägerlehr- und Versuchskompanie 909 ein rechtsradikales Video auf. Darauf zeigen sie den “Hitler”-Gruß und rufen “Heil Hitler”. Mindestens zwei Soldaten konnten später identifiziert werden: Sie gehörten Ende der neunziger Jahre zur Elitetruppe KSK.
1994 schreibt der Spiegel, dass junge Rechte gerne in die Kasernen einziehen um im Umgang mit Waffen geschult zu werden. Der Wehrbeauftragte Alfred Biehle warnte, dass 1993 immer mehr Bewerber aus dem rechten Spektrum versuchten in der Bundeswehr unterzukommen. Scheinbar mit Erfolg.
Im Februar 1994 bedrohten Soldaten in Munster vier Menschen und schrieen “Deutschland den Deutschen, Ausländer raus”.
Immer mehr rechstsradikale Vorfälle werden in der Bundeswehr gezählt. 1994 sind es 58 registrierte Taten, im Oktober 1997 sind es schon 93. 1998 wurde mit 320 Fällen der Höhepunkt erreicht.
Wir sind in der Mitte der 90er. Ein Soldat mit dem Namen Uwe Mundlos wird zweimal befördert. Mundlos singt rechte Lieder und “eine persönliche Visitenkarte mit dem Kopf von Adolf Hitler und ein Bild des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß bei sich”. Auch Kassetten mit rechter Musik werden bei ihm gefunden. Nach Auffassung der ersten Kammer des Truppendienstgerichts Süd in Kassel erfüllt dies aber „weder einen Straftatbestand noch den Tatbestand eines Dienstvergehens“. Mundlos wird Gefreiter und dann Obergefreiter und lernt den Umgang mit Waffen. Sturmgewehr, Maschinengewehr, und die halbautomatische Walther P1. Im Nationalsozialistischen Untergrund wird Mundlos mutmaßlich 10 Menschen töten und zwei Sprengstoff-Anschläge ausführen.
Im März 1997 ziehen neun Bundeswehr-Soldaten durch Detmold. Gröhlend, pöbelnd. Sie schreien rassistische Parolen und greifen Türken und Italiener mit Baseballschlägern und Messern an. Bei Untersuchungen findet die Polizei rechte Zeitungen und eine Reichskriegsflagge.
Das Selbe wird ein halbes Jahr später in Schneeberg festgestellt. Wehrpflichtige des Jägerbataillons 571 drehten Videos mit nachgestellten Vergewaltigungen und Erschießungen. Während des Skandals tauchten weitere Videos mit Hitler-Gruß-Szenen und antisemitischen Parolen. auf.
Ebenfalls 1997 berichtete ein Zeuge von regelmäßigen rechtsradikalen Ausfällen in der Kaserne im niedersächsischen Varel. Dort sei regelmäßig auf den “Führer” angestoßen worden.
Es folgten weitere Skandale. Vorträge von Neo-Nazis, Devotionalien und mehr. Und die Reaktion?
Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) sprach von Einzelfällen. Für Rechtsextremismus in der Bundeswehr gäbe es ansonsten keinerlei Indizien. Volker Rühe, damals Bundesminister der Verteidigung, verhinderte weitere Untersuchungen. Schließlich sollte die Truppe nicht unter “Generalverdacht” gestellt werden.
Aber auch als die SPD mit Schröder 1998 an die Macht kam war an Aufklärung nicht zu denken. Schließlich musste mit der Bundeswehr im Kosovo Krieg geführt werden.